Ein Gespräch mit dem Behindertensportverband über Leistungsdruck, Sportphilosophie und Liebe für den Sport.

Rollstuhlbasketball: Athleten mit weitaus größeren Herausforderungen als Doping konfrontiert

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Ein Gespräch mit:

David Müller

David Müller ist Abteilungsleiter für Information und Prävention bei der Nationalen Agentur seit 2008. Seine Motivation ist es, jungen Menschen und generell Sportler:innen und Betreuungspersonen dabei zu helfen, dass sie einen sauberen Sport ausüben können.

Andreas Zankl

Andreas Zankl ist pensionierter Sportlehrer und aktuell Trainer des Rollstuhlbasketball Teams Sitting-Bulls, Serienmeister aus Österreich, sowie Referent beim ÖBSV für Rollstuhl-Basketball. Er ist überall dort involviert, wo es um Basketball geht – also auch bei den österreichischen Meisterschaften im 3×3 Rollstuhlbasketball, die zu Pfingsten bei sportKULTUR im Wolkenturm – große Bühne im SPORTLAND Niederösterreich ausgetragen werden.

Monika Stolze

Monika ist als sportwissenschaftliche Beraterin ehrenamtlich im Ausschuss der WKO NÖ Fachgruppe Lebens- und Sozialberatung. In ihrer Funktion als Geschäftsführerin der Zweihorn GmbH ist sie mit der Ausrichtung des Green Events „sportKULTUR im Wolkenturm“ beauftragt.

David: Unser Fokus liegt hauptsächlich auf der nationalen Spitze. Theoretisch könnten wir jede:n Sportler:in in jedem Verein kontrollieren, einschließlich Clubs der untersten Ligen. Allerdings priorisieren wir „Prävention vor Kontrolle“. Das bedeutet, dass Sportler:innen in der Regel lange vor einer ersten Kontrolle durch unsere Programme informiert und geschult worden sind.

Die Kontrolle konzentriert sich vor allem auf Kraft- und Ausdauersportarten sowie bedeutende Wintersportarten und erstklassige Mannschaftssportarten.

Monika: Basketball an sich ist eine sehr intensive Sportart, Rollstuhlbasketball ist ja nochmal eine Ecke stärker. Erhöht sich damit das Risiko für Doping, insbesondere wenn es um Preisgelder geht?

Andreas: Im Rollstuhlbasketball gibt es kaum Dopingfälle. Die wenigen Kontrollen, die stattgefunden haben, waren unauffällig. Spieler, die aus medizinischen Gründen z.B. aufgrund ihrer Schmerzsituation eigentlich „verbotene“ Substanzen nehmen müssen, tun dies mit ärztlicher Genehmigung. Wir gehen dem natürlich immer wieder nach und alle Sportler, die in der österreichischen Meisterschaft oder im Nationalteam oder dann bei der 3×3 Europameisterschaft im August spielen, müssen die ganze „NADA Prozedur“ durchmachen.

David: Wenn eine medizinische Indikation vorliegt und es keine Alternativen gibt, ist das kein Problem. Allerdings haben wir Fälle gesehen, in denen falsche Behandlungen zu positiven Dopingtests führten. Es gibt doch beachtliche Risiken im Zusammenhang mit Nahrungsergänzungsmitteln, wie unbeabsichtigte Verunreinigungen oder falsche Versprechungen von Muskelaufbau. Doch das Risiko variiert je nach Quelle des Supplements.

Andreas: Natürlich schauen wir als Vereinsvertreter oder ich als Trainer genauer hin, wenn ich Spieler habe und ich weiß, dass sie aufgrund ihrer Symptomatik (Querschnittslähmung, Amputationen, Phantomschmerzen) gewisse Medikamente brauchen, aber das muss man dann ärztlich bestätigen lassen.

David: Es ist wichtig, dass medizinische Behandlungen korrekt indiziert sind. Wir unterstützen die Sportler:innen mit unseren Angeboten dabei, dass sie speziell bei verbotene Substanzen sehr genau hinsehen. Eines unser wichtigsten Ziele ist es, unbeabsichtigtes Doping zu verhindern und die Athleten umfassend aufzuklären.

Monika: Wo liegt dann die Verantwortung, sich zu informieren?

David: Probleme entstehen meist, wenn Ärzt:innen unwissend Medikamente verschreiben, die auf der Verbotsliste der Welt-Anti-Doping-Agentur stehen. Oft würde es Alternativen geben, die nicht verboten sind. Bei Asthmapräparaten ist der sehr oft der Fall. Es ist wichtig, dass Sportler:innen ihre Ärzt:innen darüber informieren, dass für sie die Anti-Doping Bestimmungen gelten.

Monika: Besteht ein psychologischer Druck, der Athleten zu Doping verleiten könnte?

Andreas: Der psychologische Druck, besonders in hochintensiven Sportarten wie dem Rollstuhlbasketball, kann groß sein. Es ist möglich, dass Athleten unter diesem Druck nach unerlaubten Mitteln suchen, besonders wenn sie mit Schmerzen oder hohen Leistungsanforderungen konfrontiert sind.

Monika: Wie sieht es mit der Trainingsvorbereitung aus?

Andreas: Die Trainingsmethoden sind im Rollstuhlbasketball so gestaltet, dass das Verletzungsrisiko minimiert wird. Moderne Techniken und verbesserte Ausrüstung im Rollstuhlbasketball haben dazu beigetragen, die Sicherheit der Spieler zu erhöhen.

David: Jede:r Sportler:in verdient die bestmögliche medizinische Behandlung, jedoch müssen bestimmte Regeln beachtet werden. Zum Beispiel müssen verbotene Substanzen medizinisch indiziert sein und alternative Behandlungsmethoden vorhanden sein.

Monika: Wie beeinflussen sich Technik, Taktik und psychologische Faktoren gegenseitig im Kontext des Leistungssports?

David: In Spielsportarten, insbesondere solchen mit einer hohen taktischen Komponente, ist das Verhältnis zwischen Technik, Taktik und körperlicher Leistungsfähigkeit entscheidend. Während die Technik die Grundlage bildet, um den Ball effektiv zu treffen oder zu spielen, ist die taktische Intelligenz entscheidend für Strategie, Positionierung und Spielverständnis. Die Herausforderungen an die körperliche Leistungsfähigkeit können je nach Sportart oder sogar Position am Spielfeld variieren.

Monika: Wie wirkt sich das dann auf die Trainingsgestaltung aus?

Andreas: Zu Beginn der Saison liegt der Fokus oft auf Konditionstraining, einschließlich Ausdauer- und Krafttraining, sowie Schnelligkeitsübungen. Während der Saison verschiebt sich der Schwerpunkt mehr auf taktische Aspekte, wie Spielen, Besprechungen und taktisches Training im Team. Konditionstraining bleibt jedoch wichtig und wird oft in Form von rollstuhlspezifischen Übungen durchgeführt, wie Sprintserien oder Ballübungen, um die physische Leistungsfähigkeit zu verbessern. Trainingslager können intensive Trainingseinheiten beinhalten, wie Langstreckenfahren und Krafttraining, aber im regulären Vereinstraining konzentriert man sich eher auf einmalige Konditionseinheiten pro Woche.

Monika: wie steht es um technisches Cheating, zum Beispiel im Bereich der Sportgeräte wie Rollstühle?

Andreas: Technische Manipulationen sind im Rollstuhlbasketball selten. Die Rollstühle müssen spezifischen Regularien entsprechen, die sehr genau kontrolliert werden. Dennoch gibt es immer wieder Diskussionen über die Feinjustierung der Geräte, die jedoch streng überwacht wird.

Monika: Welche Unterstützung benötigen deine Sportler/innen am dringendsten?

Andreas: Ich wünsche mir, dass unsere Sportler sauber bleiben und sich der Konsequenzen ihres Handelns bewusst sind.

Monika: David, wie siehst du das?

David: Die Herausforderung ist tatsächlich das Bewusstsein über die Anti-Doping-Regeln. Das Ziel der Anti-Doping-Arbeit ist ja nicht, jemanden zu sperren, weil er das falsche Präparat einnimmt. Sportler:innen benötigen Aufklärung und kontinuierliche Bildung, um sicherzustellen, dass sie keine verbotenen Substanzen verwenden, nicht nur bei medizinischen Behandlungen, sondern auch im Bereich der Selbstmedikation bei „kleineren“ Beschwerden, wo Sportler:innen vielleicht gar nicht zum Arzt oder zur Ärztin gehen.

Danke für das spannende Interview!